
Hilferuf des Jugendamtes: André Dora schreibt an NRW-Gesundheitsminister Laumann, weil für ein Kind mit Behinderung seit August 2024 kein freier Platz in einer geeigneten Einrichtung zur Verfügung steht
Eine Jugendliche, die sich selbst und andere verletzt. Die ihre Betreuer*innen an die Belastungsgrenze bringt und für die es keine passende Bleibe gibt. Das ist die Herausforderung, vor dem das Dattelner Jugendamt steht. Für die Eingliederungshilfe dieser Menschen ist der LWL zuständig. Aber nicht für die Suche nach einem Platz. Deshalb wendet sich Bürgermeister André Dora in seiner Not an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
„Sehr geehrter Herr Minister, ich bitte um Ihre Unterstützung, dass diese unwürdige Situation für das Kind ernst genommen wird und eine Lösung, allein schon aufgrund der tatsächlichen Zuständigkeit der Eingliederungshilfe, umgehend gefunden wird“, schreibt Dora. Er wende sich „mit großer Sorge“ an den Minister persönlich, weil das Jugendamt dem Kind ohne Unterstützung nicht geeignet helfen kann.
Denn – und das macht den Fall so ungeheuerlich dringend: Die Situation im häuslichen Umfeld hat sich zugespitzt. Das Familiensystem ist mit dieser Situation komplett überfordert und wird durch das Verhalten der Jugendlichen an seine Grenze gebracht. Die Folge: Die Jugendliche konnte nicht mehr zurück in den familiären Haushalt. Somit ist das Jugendamt, als letzte Instanz, die hilft, verpflichtet gewesen, das Kind in Obhut zu nehmen. „Auch wenn wir als Jugendamt immer helfen, stehen uns die geeigneten Instrumente gar nicht zur Verfügung“, sagt Bürgermeister André Dora, „uns fehlen das spezifische Fachpersonal und die Unterbringungsmöglichkeiten.“ Das Jugendamt findet partout keine Einrichtung, die die Jugendliche aufnimmt. Für den LWL ist das kein Einzelfall.
Das 16-jährige Mädchen hat eine geistige Behinderung (IQ 60). Mit Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI wurde der Pflegegrad 3 festgestellt. Der Grad der Behinderung beträgt 80. Die Jugendliche zeigt immer wieder selbst- und fremdgefährdendes Verhalten, versucht zum Beispiel Geschirr oder Nägel zu schlucken, läuft weg oder bedroht – wie zuletzt – ihre Schwester mit einer Scherbe.
Insgesamt hat das Jugendamt mehr als 200 Einrichtungen vergeblich angefragt. Weil keine Einrichtung der Eingliederungshilfe gefunden werden konnte, musste das Jugendamt der Stadt Datteln eine Notunterbringung beschaffen. Zurzeit ist die 16-Jährige in einem Hotel untergebracht. Ein Intensivpflegedienst betreut sie rund um die Uhr. Ein Zustand, der für die Jugendliche eine zusätzliche Belastung darstellt. Damit bleiben ihr eine angemessene Teilhabe und eine Förderung ihrer Entwicklung verwehrt. „Es kommt immer wieder zu Übergriffen gegenüber dem Pflegepersonal und zu selbstverletzendem Verhalten. Es droht, dass der Pflegedienst seine Zusammenarbeit aufkündigt und wir sodann keinerlei Option mehr haben“, schreibt Bürgermeister Dora an Minister Laumann.
„Es ist zwingend erforderlich, dass die Jugendliche schnellstmöglich in einer geeigneten Wohngruppe der Eingliederungshilfe untergebracht wird“, fährt Dora in seinem Schreiben an Laumann fort. „Die Kinder- und Jugendhilfe bietet keinen angemessenen und kindeswohldienlichen Rahmen für eine Jugendliche mit geistiger Behinderung.“
Dora weist darauf hin, dass Nachbarstädte vor ähnlichen Herausforderungen stehen. „Mir ist auch bewusst, dass sich diese Situation nicht nur in NRW zeigt, sondern bundesweit ein Thema ist. Gleichwohl stehen wir als Kommunen am Ende in der Zuständigkeit und ohne Hilfe.“